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Fachdidaktische Grundlagen

Blick auf den Lerngegenstand

Im Mittelpunkt des Rechtschreibunterrichts stehen vier wesentliche Prinzipien:

Rechtschreibprinzipien
Abbildung: Rechtschreibprinzipien

Diese Prinzipien ermöglichen es, durch gezieltes Nachdenken korrekte Schreibweisen zu erlernen.

Solche Wörter werden als „Nachdenkwörter“ bezeichnet. Allerdings greifen diese Prinzipien nicht bei allen Wörtern: Wörter, die aus anderen Sprachen stammen oder häufig als Funktionswörter Funktionswort
In der Linguistik werden Inhalts- und Funktionswörter unterschieden. Zu den Inhaltswörtern zählen Nomen, Verben und..

verwendet werden, müssen auswendig gelernt werden und werden daher als „Merkwörter“ eingestuft.

Kinder schreiben Wörter zunächst lautgetreu. Später lernen sie anhand von Regeln wie Groß- und Kleinschreibung orthographisch korrekt zu schreiben.

Alphabetschriften nutzen wenige Zeichen, um Gedanken, Gefühle und Wissen festzuhalten. Die deutsche Rechtschreibung basiert auf der Lautsprache, ist aber keine genaue Lautschrift. Daher schreiben wir „Feuer“ statt „Foija“. Unsere Schrift zeigt nicht alle Laute, und Grapheme bestehen oft aus mehreren Zeichen.

Im Deutschen stellt die Verschriftung von Phonemen als Grapheme eine Herausforderung dar. Basisgrapheme wie <ch>, <sch>, Diphthonge wie <au> und <ei> bilden komplexe Strukturen. Schülerinnen und Schüler sollten geschriebene Wörter mit gesprochener Sprache vergleichen, um Rechtschreibregeln zu lernen. Die qualitative Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen sowie mehrdeutige Phonem-Graphem-Korrespondenzen, wie /aː/ in „Tal“ und „Saal“, erfordern gezielte Anleitung.

Das orthografische Prinzip zielt insbesondere darauf ab, die Vokalqualität in betonten Silben sichtbar zu machen. Die umfasst alles, was beim Sprechen oft nicht eindeutig zu erkennen ist. Ein Beispiel ist die Schreibung <ie> für den langen /iː/-Laut in „Wiese“.

Außerdem folgt das orthografische Prinzip auch festgelegten Konventionen, wie etwa der Schreibung von /ʃt/ und /ʃp/ am Wortanfang als <st> bzw. <sp> – also nicht scht oder schp, sondern z. B. „Stein“ oder „Spiel“. Damit trägt das orthografische Prinzip maßgeblich zur Einheitlichkeit und Lesbarkeit geschriebener Sprache bei.

Das morphematische Prinzip sorgt für einheitliche Schreibweisen von Morphemen, um Bedeutungen zu klären. Präfixe verändern die Bedeutung („abkaufen“, „verkaufen“), Suffixe haben grammatische Rollen („Käufer“). Stamm-Schreibweisen bleiben bei Kombinationen erhalten („Feldmäuse“). Das Prinzip beeinflusst die Schreibweise: Stimmlose Auslaute werden bei Verlängerung stimmhaft geschrieben („gelbe“, „Burgen“). Umlaute folgen der Grundform („Äpfel“, „Mäuse“). Kinder sollen Wortstrukturen erkunden, um richtig zu schreiben und zu verstehen.
Die wortübergreifenden Prinzipien der Rechtschreibung helfen dabei, Satzstrukturen schnell zu erfassen. Ein Beispiel ist die Großschreibung von Nomen, die deren grammatische Funktion verdeutlicht. Um solche Regeln anzuwenden, brauchen Kinder analytische Fähigkeiten und ein Grundverständnis von Wortarten. Auch die Zeichensetzung unterstützt die Lesbarkeit und Verständlichkeit eines Satzes. Hierbei greifen Prinzipien, die über einzelne Wörter hinausgehen und das gesamte Satzgefüge betreffen.
INFO

Der Wechsel zur orthographischen Schreibung ist entscheidend, da Rechtschreibmuster erkannt und angewendet werden müssen.
Ein effektiver Unterricht macht Rechtschreibung „durchschaubar“ und „schaffbar“.

Blick auf das Lernen

Wie Kinder richtig schreiben lernen

Rechtschreiblernen ist ein aktiver Prozess, bei dem Kinder durch Rekonstruktion lernen. Eigenaktives Lernen wird z.B. durch Aufgaben zum Sammeln, Abschreiben und Sortieren von Wörtern und Sätzen gefördert. Der Lernprozess verläuft individuell und nicht linear, mit Sprüngen und Fehlern. Daher ist ein flexibler Unterricht, der auf die individuellen Bedürfnisse eingeht, wichtig.

Sowohl Schriftorientierung als auch Schriftgebrauch sind entscheidend: Während korrekte Schreibweisen geübt werden sollten, können Fehler beim freien Schreiben als Fortschritte gelten und die Ausdruckskompetenz stärken.

Vertiefter Blick auf den Kontext von Diversität

Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb sind aufgrund der komplexen Orthografie normal. Es ist wichtig, frühzeitig anhaltende Schwierigkeiten und besondere Potenziale zu erkennen. Gezielte Unterstützung und ein flexibles Lehrumfeld helfen, den individuellen Bedürfnissen jedes Kindes gerecht zu werden.

Kinder aus schriftfernen Umgebungen haben oft Schwierigkeiten mit der Schrift, da ihnen Vorbilder, Materialien oder Vorleseerfahrungen fehlen. Der Anfangsunterricht sollte eine anregende Schriftkultur schaffen und Textschreiben mit Richtigschreiben verbinden. So wird der persönliche Bezug zur Schrift gefördert und Fähigkeiten werden gestärkt.
Mehrsprachige Kinder kennen verschiedene Sprach- und Schriftsysteme, was ihre Sprachbewusstheit stärkt und das Rechtschreiblernen unterstützt. Dennoch können Unterschiede in Vokallänge, Phonemen oder Konsonantenhäufungen zu Verunsicherungen führen. Deshalb sollte der Unterricht diese Unterschiede berücksichtigen und gezielte Materialien bereitstellen, um das Potenzial der Kinder zu fördern.
Sprachliche Beeinträchtigungen im Grundschulalter erschweren oft das Erlernen der Rechtschreibung, da sie das Verständnis für sprachliche Strukturen beeinträchtigen. Lautproduktionsprobleme beeinflussen die Rechtschreibung weniger stark. Daher ist es essenziell, gezielt auf die spezifischen Herausforderungen dieser Schülerinnen und Schüler einzugehen, um ihren Rechtschreiberwerb zu fördern.
Phonologische Störungen erschweren das Lernen der Schriftsprache durch Änderungen wie:

  • Fortisierung: /g/ wird zu /k/ („Glas“ zu „kla:s“).
  • Lenisierung: /k/ wird zu /g/ („Kuchen“ zu „gu:chen“).
  • Vokalprobleme: „Noten“ wird zu „nu:ten“.
  • Silbenänderungen: „Spaghetti“ wird zu „kaspeti“.
  • Vorverlagerung: /k/ wird zu /t/ („Kino“ zu „ti:no“).
  • Rückverlagerung: /d/ wird zu /g/ („Dose“ zu „go:se“).
  • Assimilation: „Papagei“ wird zu „papapai“.

Diese Probleme beeinträchtigen den Schriftspracherwerb. Sowohl phonologische als auch phonetische Störungen sollten berücksichtigt werden.

Semantisch-lexikalische Störungen können den Schriftspracherwerb stark beeinträchtigen, was sich durch Unsicherheiten beim Abschreiben und Schreiben zeigt. Kinder zerlegen häufig Wortzusammensetzungen, was auf ein mangelndes Verständnis für Wortbedeutungen hindeutet. Gezielte Übungen zur Förderung des semantischen Verständnisses und der lexikalischen Kompetenz können helfen, ihre schriftlichen Fähigkeiten und ihr Verständnis für Wörter zu verbessern.
Morphologisch-syntaktische Störungen im Schriftspracherwerb äußern sich durch Probleme wie die ungenaue Verschriftlichung von Reduktionssilben und die fehlerhafte Verwendung von Verbklammern und Partizipien. Diese Schwierigkeiten weisen auf Defizite im Verständnis grammatikalischer Strukturen hin. Um Kindern zu helfen und ihre Grammatikfähigkeiten zu stärken, sind gezielte Unterstützung und strukturierte Sprachübungen wichtig.

Folgerungen für den Rechtschreibunterricht

Im Rechtschreibunterricht heterogener Klassen müssen Lernangebote verschiedene Bedürfnisse abdecken, sowohl für starke als auch für herausgeforderte Schülerinnen und Schüler. Differenzierte Materialien sollten individuelles Lernen ermöglichen. Ein gutes Lernumfeld fördert Eigenständigkeit und eigene Strategien. Dies verlangt eine flexible, kreative Herangehensweise, die die Stärken jedes Kindes berücksichtigt.

Gelingensbedingungen

Erfolgreicher Rechtschreibunterricht in einem diversen Kontext erfordert individuelle Ansätze, auch bei gemeinsamen Themen. Aufgaben sollten vielfältige Lernmöglichkeiten und Denkanstöße bieten. Austausch in Rechtschreibgesprächen oder durch Tafeldiktate ist wichtig, ebenso regelmäßige, kurze Übungen zur Festigung des Gelernten. Maßgeschneiderte Hilfen sollten bereitgestellt werden, um auf individuelle Lernbedürfnisse einzugehen.

Multiprofessionelle Kooperationen

Um die unterschiedlichen Schülerinnen- und Schülerbedürfnisse im Rechtschreibunterricht zu berücksichtigen, sind multiprofessionelle Teams wichtig. Grundschul- und sonderpädagogische Lehrkräfte sollten eng zusammenarbeiten, um gezielte Unterstützung zu bieten. Bei Bedarf können Logopädinnen und Logopäden, Sprachtherapeutinnen und Sprachtherapeuten und der schulpsychologische Dienst hinzugezogen werden. Diese Kooperationen schaffen ein Unterstützungsnetzwerk, das individuelle Bedürfnisse anspricht und den Rechtschreiberwerb fördert.

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